Beratung vom Fachanwalt Familienrecht
Wechselmodell als moderne Betreuungsform
War es früher selbstverständlich, dass Kinder nach der Trennung der Eltern bei der Mutter leben und den nur Vater besuchten, so stehen heute unterschiedliche Betreuungsalternativen zur Wahl.
- Residenzmodell
- Wechselmodell
- Nestmodell
- modifizierte Formen der Modelle
Die Idee der abwechselnden Betreuung (Wechselmodell oder Nestmodell) hat in Deutschland seit ca. 2010 an Bedeutung gewonnen. Denn geteilte Betreuung entspricht partnerschaftlicher Aufgabenteilung ebenso, wie es den geänderten Rollen von Vätern und Müttern Rechnung trägt. Seit einigen Jahren kann das Wechselmodell auch von Gerichten angeordnet werden.
Der Europarat geht noch einen Schritt weiter, wenn er in seiner Resolution 2079 aus dem Jahr 2015 alle Mitgliedsstaaten dazu auffordert, gleichberechtigte elterliche Verantwortung und geteilte Betreuung (shared parenting) als gesetzliches Leitbild in die nationalen Rechtsordnungen aufzunehmen. Allerdings ist dies in Deutschland noch ein weiter Weg.
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Update zu Wechselmodell
- Wechselmodell entspricht dem Kindeswohl
- paritätische Betreuung
- 50 ./. 50
- Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern
- Bindung der Kinder an beide Eltern
- Förderung der Kinder durch beide Eltern
- Kontinuität
- Erziehungseignung
- Kindeswille zum Wechselmodell
Broschüre zum Wechselmodell vom Verband alleinerziehender Mütter und Väter
Wechselmodell
Wenn das Kind zwischen den Wohnungen beider Eltern paritätisch hin- und herwechselt und dabei gleich viel Zeit bei beiden Elternteilen verbringt = 50 ./. 50 dann liegt das klassische bzw. paritätische Wechselmodell vor.
Das Wechselmodell erlebte von 2010 bis etwa 2017 in Deutschland einen Hype, der jedoch nach den oftmals auftretenden Schwierigkeiten bei dessen praktischer Umsetzung derzeit wieder abklingt. Bis heute gibt es keine gesetzlichen Normen zum Wechselmodell. Der Unterhalt im Wechselmodell wurde nach jahrelangen Streitigkeiten der Gerichte nur rudimentär geklärt, geregelt ist er nicht. Er wird bis heute von den Gerichten nicht einheitlich entschieden. Ebenso wenig gibt es Regelungen zu dem sog. “Erweiterten Umgang” der einem Wechselmodell sehr nahe kommt bzw. dem sog. “Fast-Wechselmodell”.
Dazu auch: *Homepage des DFGT: Hinweise des Vorstands zum Wechselmodell vom 10. Januar 2014.
Rechtsprechung zum Wechselmodell
Nach einer kurzen Phase in der Rechtsprechung, während der das Wechselmodell durch Gerichte auf Antrag und auch gegen den Willen des anderen Elternteils angeordnet wurde, wird das inzwischen nicht mehr oder nur noch sehr selten praktiziert. Denn wenn sich die Eltern nicht auf das Wechselmodell einigen können, ist die Elternkommunikation in der Regel per se nicht so gut, dass das Gericht dann ein Wechselmodell anordnet. Denn für das Wechselmodell bedarf es immer einer guten bis sehr guten Elternkommunikation, um zum Wohl der Kinder zu funktionieren. Zwischenzeitlich lehnt die überwiegende Rechtsprechung die gerichtliche Anordnung eines Wechselmodells ab. Es gibt immer noch Tendenzen bzw. vereinzelt Strömungen in der Literatur, die hier einen Reformbedarf sehen und eine gesetzliche Verankerung des Wechselmodells wünschen und es gab Gerichte, die im Einzelfall das Wechselmodell zum Wohle des Kindes auch gegen den Willen eines Elternteils angeordnet haben, dies ist jedoch eher selten; siehe dazu Sünderhauf: Wechselmodell – Psychologie – Recht – Praxis S. 492 ff.
Unterhalt im Wechselmodell
Aus unterhaltsrechtlicher Sicht verlangt der BGH ein Wechselmodell mit im Wesentlichen
gleichen Anteilen, d.h. eine „hälftige Aufteilung“ der Erziehungs- und Betreuungsaufgaben. Nur dann sind beide Eltern je nach Höhe ihres Einkommens anteilig unterhaltspflichtig. Anderenfalls sagt der BGH, sei dies kein Wechselmodell sondern es bleibt beim Residenzmodell mit der Aufteilung in die Pflicht zur Betreuung (Naturalunterhalt) und die Pflicht zur Zahlung von Barunterhalt.
Die Unterhaltsberechnung im Wechselmodell ist unprakikabel, sehr aufwändig und tatsächlich auch kompliziert. Vereinfacht gesagt versucht man folgendes:
Die BGH-Lösung knüpft an die Systematik beim Volljährigenunterhalt bzw. bei der Außer-Haus-Unterbringung des Kindes an. Im ersten Schritt wird dazu der Bedarf des Kindes ermittelt. Dazu wird das Gesamteinkommen beider Eltern berechnet. Die Summe ergibt den Bedarf des Kindes entsprechend der Düsseldorfer Tabelle. Die Mehrkosten im Wechselmodell kommen als Mehrbedarf on top, zB für zusätzlichen Mietaufwand, weitere Anfahrten zu Kita und Schule, Mehrfachanschaffungen.
Für den so ermittelten Bedarf muss nun die anteilige Haftung der Eltern berechnet werden.
Der Beschluss des BGH vom 11.01.2017 (II ZB 565/15; vgl. auch BGH, Beschl. v. 20.04.2016 -II ZB 45/15) beantwortet eine Reihe von Fragen zum Wechselmodell, die in der Literatur diskutiert worden sind. Der BGH hat darin zusammengefasst, wie der im Unterhalt im echten Wechselmodell funktioniert und berücksichtigt auch das Kindergeld.
- Im Fall des Wechselmodells haben grundsätzlich beide Elternteile für den Barunterhalt des Kindes einzustehen. Der Unterhaltsbedarf des Kindes bemisst sich nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern und umfasst außerdem die infolge des Wechselmodells entstehenden Mehrkosten (im Anschluss an Senatsbeschluss des BGH v. 05.11.2014 – XII ZB 599/13).
- Der dem Kind von einem Elternteil während dessen Betreuungszeiten im Wechselmodell geleistete Naturalunterhalt führt nicht dazu, dass ein Barunterhaltsanspruch nicht geltend gemacht werden kann. Der geleistete Naturalunterhalt ist vielmehr nur als (teilweise) Erfüllung des Unterhaltsanspruchs berücksichtigt
- Der Unterhaltsanspruch kann in zulässiger Weise vom Kind gegen den besser verdienenden Elternteil geltend gemacht werden. Dass er sich auf den Ausgleich der nach Abzug von den Eltern erbrachter Leistungen verbleibenden Unterhaltsspitze richtet, macht ihn nicht zu einem – nur zwischen den Eltern bestehenden – familienrechtlichen Ausgleichsanspruch.
- Das Kindergeld ist auch im Fall des Wechselmodells zur Hälfte auf den Barbedarf des Kindes anzurechnen. Der auf die Betreuung entfallende Anteil ist zwischen den Eltern hälftig auszugleichen. Der Ausgleich kann in Form der Verrechnung mit dem Kindesunterhalt erfolgen (im Anschluss an Senatsbeschl. des BGH v. 20.04.2016 – XII ZB 45/15).
Praxishinweis
In der Praxis bietet sich für die Eltern häufig folgende pragmatische Handhabung an:
- Zuerst schätzen die Eltern gemeinsam den tatsächlichen Bedarf der Kinder, unterteilt nach den haushaltsunabhängigen Fixkosten und nach den beiden Haushalten.
- Dann gleichen sie anhand der o.a. Methoden ab, ob die Größenordnung in etwa passt und ob ihnen die evtl. Abweichung nachvollziehbar erscheint.
- Eventuell wird ein Überprüfungstermin der Vereinbarung nach drei oder sechs Monaten vereinbart, um die praktischen Erfahrungen auszuwerten.
Wechselmodell und Umgang
Laut BGH, Beschluss vom 27. November 2019 – XII ZB 512/18 kann die Entscheidung der Eltern über das Wechselmodell eine Frage des Umgangsrechtes oder des Sorgerechtes sein. Es gibt dazu keine einheitliche Rechtsprechung.
„Das Wechselmodell ist danach anzuordnen, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindes-wohl im konkreten Fall am besten entspricht (Senatsbeschluss BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532 Rn. 27 mwN).
Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Frage, ob die Anordnung des Wechselmodells geboten sein kann, unter Berücksichtigung anerkannter Kriterien des Kindeswohls zu entscheiden. Als gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls hat der Senat in Sorgerechtsfragen bislang die Erziehungseignung der Eltern, die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens angeführt. Gleiches gilt auch für Regelungen zum Umgangsrecht und mithin hier für die Anordnung des paritätischen Wechselmodells. Ähnlich wie bei der gemeinsamen Sorge als paritätischer Wahrnehmung des Elternrechts setzt die Kindeswohldienlichkeit des paritätischen Wechselmodells als hälftig geteilter Ausübung der gemeinsamen Sorge auch die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern voraus (Senatsbeschluss BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532 Rn. 25 mwN).
Beim Wechselmodell kommt hinzu, dass dieses gegenüber herkömmlichen Umgangsmodellen höhere Anforderungen an die Eltern und das Kind stellt, das bei doppelter Residenz zwischen zwei Haushalten pendelt und sich auf zwei hauptsächliche Lebensumgebungen ein- bzw. umzustellen hat. Auf Seiten des Kindes wird ein Wechselmodell nur in Betracht zu ziehen sein, wenn eine auf sicherer Bindung beruhende tragfähige Beziehung zu beiden Elternteilen besteht. Hierfür kann gegebenenfalls auch Bedeutung gewinnen, in welchem Umfang beide Elternteile schon zur Zeit des Zusammenlebens in die Betreuung des Kindes eingebunden waren. Wesentlicher Aspekt ist zudem der vom Kind geäußerte Wille, dem mit steigendem Alter zunehmendes Gewicht beizumessen ist. Bei Kindern im Jugendalter verringert sich ohnedies die gemeinsame Zeit von Eltern und Kind, weil die Kinder ihren Aktionsradius erweitern und für sie die mit Gleichaltrigen verbrachte Zeit bedeutsamer wird. (Senatsbeschluss BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532 Rn. 28 f. mwN).